Unsanft entschlafen by Jürgen Seibold
Autor:Jürgen Seibold
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Silberburg-Verlag GmbH
veröffentlicht: 2015-04-23T16:00:00+00:00
Mittwoch
Gottfried Froelich war durch Kuppingen und Affstätt von Norden her nach Herrenberg gekommen und bog nun nach rechts in die Nagolder Straße ein, die westwärts aus der Stadtmitte herausführte. Linker Hand sah er durch einige Bäume ein großes China-Restaurant, kurz danach musste er links in die Berliner Straße einbiegen. In weitem Bogen fuhr er an einem hohen Gebäude vorbei, links tauchte das spitze Dach eines Kirchturms auf. Schließlich bog er in eine Seitenstraße ab und hielt vor einem von mehreren Flachdach-Bungalows, die sich hier aufreihten.
Er belegte mit seinem Transporter zwei Stellplätze, nahm die Jacke vom Beifahrersitz und griff sich den Block mit Stift, den er für das Gespräch mit Ingeborg Coordes bereitgelegt hatte, und die Tüte mit den süßen Stückle.
Die Haustür öffnete sich schon, bevor er hätte klingeln können. Froelich, der das heisere Lachen von Ingeborg Coordes noch im Ohr hatte, war auf den ersten Blick enttäuscht: Vor ihm stand eine Frau Mitte Fünfzig, eher klein und mit schwarzen Haaren im Pagenschnitt.
»Herr Froelich?«, fragte die Frau und hielt ihm die Hand hin. »Haben Sie gut hergefunden?«
Froelich nickte. Der Händedruck von Ingeborg Coordes war fest und weich und warm. Mit freundlichem, fast mädchenhaftem Lächeln – das ihr unglaublich gut stand und das sie prompt jünger wirken ließ, wie Froelich bemerkte – bedeutete sie ihm, ihr ins Haus zu folgen. Sie durchquerten einen schmalen Treppenflur und gingen durch die linke von zwei Wohnungstüren.
»Kommen Sie am besten in mein Büro, da sieht es etwas aufgeräumter aus als nebenan in der Wohnung.«
Das ließ für die Wohnung das Schlimmste befürchten. Ein kleiner Flur und ein Zimmer, an dem sie vorübergingen, waren vollgestopft mit Zeitungsstapeln, Umzugskartons, Büromaterialien und Notizblöcken in unterschiedlichen Größen.
»Sind Sie erst hergezogen?«, fragte Froelich und zeigte auf die Kartons.
»Ja, vor fünf Jahren«, lachte Ingeborg Coordes. Froelich hatte nur etwas sagen wollen, um das aus seiner Sicht beschämende Durcheinander plaudernd zu überspielen, aber das Chaos war Ingeborg Coordes ganz offensichtlich kein bisschen peinlich.
Sie erreichten einen weiteren Raum. Er war groß und hell und ebenfalls mit den unterschiedlichsten Stapeln gesegnet. Ein ausladender Schreibtisch aus grobem, schwarz lackiertem Holz, vermutlich selbst geschreinert, nahm eine der Ecken ein, drum herum waren offene Holzregale aufgestellt, wie man sie günstig im Baumarkt kaufen konnte.
Gegenüber stand eine Bassgitarre samt Verstärker und einer riesigen Lautsprecher-Box, daneben ein paar Geräte, die Froelich als kleines Heimstudio erkannte.
In einem Erker, der den Blick auf einen kleinen Garten mit wuchernden Büschen und einem kleinen Teich öffnete, standen ein gemütlich wirkendes Sofa, zwei Sessel und ein niedriger Couchtisch aus hellem Holz. Auf einem halbhohen Schränkchen daneben stand eine Espressomaschine, wie sie Froelich aus einer der Pizzerien in Weil der Stadt kannte.
»Na ja, irgendeinen Luxus muss man sich doch gönnen«, sagte seine Gastgeberin. Sie war Froelichs bewunderndem Blick zur Kaffeemaschine gefolgt. »Und Essen und Trinken sind keine schlechten Hobbys, finde ich.«
Froelich grinste selig, und Ingeborg Coordes schenkte ihm wieder ein heiseres Lachen. Er riss die Bäckertüte auf und drapierte auf dem Papier zwei Vanilleschnecken und zwei Schokobananen. Sie machte ihm einen Cappuccino mit geschäumter Milch – Froelich
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